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Referentenentwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts

Die Stiftungsrechtsreform nimmt weiter Gestalt an: Nach Vorarbeiten aus der vergangenen Legislaturperiode hat die Innenministerkonferenz im Juni 2018 das Justizministerium ersucht, auf der Grundlage des Diskussionsentwurfs der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Stiftungsrecht“ für ein Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts einen Gesetzentwurf zu erarbeiten. Nun liegt der lange erwartete Referentenentwurf des Justizministeriums vor. Dieser hat die vorangegangenen Vorarbeiten weitgehend übernommen: 

Die wesentlichen Änderungen im Überblick: 

  • Mit der anstehenden Reform soll das Stiftungszivilrecht bundeseinheitlich und abschließend im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt werden.
  • Die bestehenden Maßstäbe für die Verwaltung des Stiftungsvermögens und die Organpflichten sollen konkretisiert werden. Die Voraussetzungen für die Änderung des Stiftungszwecks sowie für die Beendigung der Stiftung sollen geändert werden.
  • Die Einführung eines vom Bundesamt der Justiz geführten Stiftungsregisters mit Publizitätswirkung soll mehr Transparenz schaffen.
  • Die neuen gesetzlichen Regelungen sollen auf neu zu gründende wie auf bestehende Stiftungen Anwendung finden.

Nachfolgend haben wir die wichtigsten Regelungen zusammengefasst. 

A. Wesentliche Merkmale der Stiftung

Die grundsätzliche Ausgestaltung der Rechtsform Stiftung soll sich durch die anstehende Reform nicht ändern. Stiftungen sollen weiterhin zu jedem erlaubten gemeinnützigen oder privatnützigen Zweck errichtet werden können. Ihre Anerkennung steht nach wie vor unter dem sogenannten Gemeinwohlvorbehalt, der zugleich einen Zweckänderungs- sowie Aufhebungsgrund darstellt und Einfallstor für verwaltungspolitische Erwägungen sein kann. 

B. Stiftungsorgane

Das Stiftungsrecht soll künftig umfangreichere Regelungen zu den Organen enthalten als bisher. Teils werden die schon bisher über einen Verweis ins Vereinsrecht (§ 86 Satz 1 i.V.m. §§ 27 ff. BGB) anwendbaren Regelungen inhaltsgleich ins Stiftungsrecht (§§ 80 ff. BGB-E) übernommen, teils ergeben sich Abweichungen zur bisherigen Rechtslage. Eine Neuregelung ist insbesondere in zwei Bereichen geplant:  

  • Zulasten der Stiftung sieht eine spezielle Anspruchsgrundlage für die Haftung von Organmitgliedern gegenüber der Stiftung keine Vermutung für ein Verschulden der handelnden Organe mehr vor, wie sie das geltende Recht enthält.
    • Eine wichtige Klarstellung zur Rechtsstellung der Organe soll mit der Kodifizierung einer sogenannten stiftungsrechtlichen Business Judgment Rule erfolgen. Hierunter versteht man einen haftungsfreien Ermessensspielraum bei gesetzes- und satzungskonformen Entscheidungen, die ein Organmitglied frei von Interessenkonflikten und auf der Basis angemessener Information getroffen hat. Dieser Maßstab soll insbesondere auch im Bereich der Vermögensverwaltung gelten.
    • Daneben sieht der Entwurf vor, dass Organmitglieder, die unentgeltlich tätig oder gering vergütet sind, weiterhin nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit haften.
    • Der Entwurf entscheidet auch eine bislang umstrittene Frage: Satzungsmäßige Abweichungen vom oben genannten Haftungsmaßstab sollen nun möglich sein, und zwar sowohl als Verschärfungen als auch als Haftungserleichterungen.
  • Um die Handlungsfähigkeit der Stiftungen stets sicherzustellen, sieht der Entwurf Regelungen zu Notmaßnahmen bei fehlenden Organmitgliedern vor. Die Neuregelung soll die Möglichkeiten der Notbestellung durch die Amtsgerichte ersetzen und die teilweise bestehenden landesrechtlichen Befugnisse der Behörden erweitern. Grundsätzlich sollen die Maßnahmen auf Antrag eines Beteiligten möglich sein, aber insbesondere im Fall eines fehlenden Alleinvorstands soll die Stiftungsbehörde auch von Amts wegen tätig werden können. Neben der Notbestellung soll die Beschränkung der Anzahl der Organmitglieder oder die Ausstattung mit Mehrstimmrechten zeitweilig möglich sein.

C. Stiftungsvermögen

Bezüglich des Stiftungsvermögens unterscheidet der Referentenentwurf zwischen zu er-haltendem Grundstockvermögen und sog. sonstigem Vermögen.  

  • Nach dem bereits von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeiteten Konzept soll das Grundstockvermögen aus dem gewidmeten Vermögen, Zustiftungen und entsprechenden Vermögenszuführungen durch die Stiftung bestehen. Auch Umschichtungsgewinne sollen zum Grundstockvermögen gehören, es sei denn die Satzung sieht etwas anderes vor.
  • Das Grundstockvermögen soll ungeschmälert zu erhalten sein; ihre Zwecke darf die Stiftung grundsätzlich nur aus den Nutzungen des Vermögens erfüllen.
    • Allerdings soll auf Grundlage einer entsprechenden Satzungsbestimmung der vorübergehende teilweise Verbrauch von Grundstockvermögen möglich sein, wenn die Satzung zugleich die Aufstockung des verbrauchten Vermögens vorsieht.
    • Der satzungsmäßig zugelassene Verbrauch von Umschichtungsgewinnen soll indessen keiner Wiederaufstockungspflicht unterliegen. Insoweit dürfte eine Annäherung an die Maßstäbe des Gemeinnützigkeitsrechts angestrebt worden sein, welches eine Verwendung von Umschichtungsgewinnen für die Zweckverwirklichung oder für die Vermögensverwaltung zulässt.
    • Zudem ist ein Vorbehalt zugunsten der Landesgesetzgeber vorgesehen, wonach Stiftungen zeitlich und auf einen Teil begrenzt auf Antrag vom Gebot der Erhaltung des Grundstockvermögens durch die Stiftungsbehörden befreit werden können. Insoweit übernimmt der Entwurf bereits vereinzelt bestehendes Landesrecht.

Der Referentenentwurf enthält zudem Regelungen für Verbrauchsstiftungen.

  • Unter Verbrauchsstiftungen versteht der Entwurf Stiftungen, deren gesamtes Vermögen über einen bestimmten Zeitraum verbraucht werden muss, und die anschließend aufzulösen sind.
  • Er sieht vor, dass sie besondere Satzungsregelungen erhalten müssen, nämlich eine Befristung der Stiftung sowie Regelungen für die Verwendung des Vermögens. Dies entspricht der bisherigen Praxis der Stiftungsbehörden. Nach Ablauf der Zeit, für die sie satzungsmäßig bestimmt sind, müssen Verbrauchsstiftungen zwingend aufgelöst werden. Die Verbrauchsstiftung bleibt daher eine unflexible Gestaltung.

D. Rechtsformzusatz

Nach Eintragung in das Stiftungsregister sollen alle neu gegründeten und bestehenden Stiftungen verpflichtet werden, ihren Namen um den Zusatz „eingetragene Stiftung“ bzw. um die Abkürzung „e. S.“ zu ergänzen. Verbrauchsstiftungen sind entsprechend als „ein-getragene Verbrauchsstiftung“ oder mit der Abkürzung „e. VS.“ ergänzend zu bezeichnen.  

E. Verwaltungssitz

Stiftungen sollen verpflichtet sein, ihre Verwaltung im Inland zu führen. Wird ein ausländischer Verwaltungssitz nicht ins Inland zurückverlegt, soll dies einen Aufhebungsgrund darstellen. 

F. Strukturänderungen

Der Referentenentwurf enthält umfangreiche Regelungen zu Zweck- und anderen Satzungsänderungen, zur Zulegung und Zusammenlegung sowie zur Auflösung und Aufhebung von Stiftungen.  

  • Die Regelungen zu Strukturänderungen sind nach der Intensität des Eingriffs abgestuft: Die rechtliche Hürde für eine Strukturänderung liegt umso höher, je stärker sie in die Identität der Stiftung eingreift. Dieses Grundkonzept entspricht dem gel-tenden Recht. Im Hinblick auf den intensivsten satzungsändernden Eingriff – die Zweckänderung – soll klargestellt werden, dass ein bloßes wirtschaftliches Missverhältnis zwischen Aufwand der Stiftung und Ertrag für die Zweckverwirklichung für eine Änderung nicht mehr ausreicht.
  • Satzungsänderungen bezüglich sonstiger identitätsprägender Merkmale der Stiftung sollen wie bislang nur bei wesentlicher Veränderung der Umstände möglich sein. Dagegen genügt nach dem Entwurf für die Änderung nicht identitätsprägender Merkmale eine bloße Erleichterung der Zweckerfüllung.
  • Das im Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht aus dem Jahr 2016 ursprünglich angedachte Recht des lebenden Stifters, die Satzung zu ändern, ist auch im aktuellen Referentenentwurf nicht enthalten. Der Stifter kann sich jedoch in der Errichtungssatzung selbst als zu Satzungsänderungen ermächtigtes Organ vorsehen. Hierfür muss er allerdings Inhalt und Ausmaß der Änderungsermächtigung bereits im Zeitpunkt der Errichtung hinreichend bestimmt festlegen. Dies soll die Stiftung vor Interessenverschiebungen ihrer Errichter schützen und ihre eigene unverfügbare Rechtspersönlichkeit unterstreichen.
  • Zulegung und Zusammenlegung von Stiftungen werden umfangreich geregelt. Gegen den Willen des Stifters der übertragenden Stiftung oder des Stifters der übernehmenden Stiftung darf eine Zulegung nicht von den Stiftungsvorständen vereinbart oder von der zuständigen Behörde angeordnet werden. Es wird klargestellt, dass es bei diesen Umwandlungsmaßnahmen zur Gesamtrechtsnachfolge kommt.
  • Auflösung durch die Organe und Aufhebung durch die Behörde werden ausdrücklich unterschieden. Beide setzen grundsätzlich voraus, dass die dauernde und nachhaltige Erfüllung ihres Zwecks endgültig unmöglich ist. Der Entwurf sieht vor, dass der Anfallberechtigte in der Stiftungssatzung künftig auch in der Weise bestimmt werden kann, dass die konkrete Benennung durch ein Stiftungsorgan er-folgt. Damit erfolgt eine Angleichung an die gemeinnützigkeitsrechtlichen Möglichkeiten.
  • Die Strukturänderung durch die Organe soll jeweils Vorrang vor einer entsprechen-den Maßnahme der Stiftungsbehörde haben. Teilweise soll der Stifter im Stiftungsgeschäft abweichende Regelungen treffen können, allerdings nicht zur Auflösung. Wie sich das Verhältnis zwischen Zweckänderung und Zulegung und Zusammenlegung in der Praxis austariert, bleibt abzuwarten.
  • Alle Strukturänderungen sollen wie bisher nur mit Genehmigung der Stiftungsbehörde wirksam sein.

G. Stiftungsregister

Der Reformentwurf sieht ein beim Bundesamt der Justiz angesiedeltes zentrales Stiftungsregister mit Publizitätswirkung vor. Dieses war von den beteiligten Verbänden einhellig gefordert worden. Das Stiftungsregister soll zu Beginn des vierten auf die Verkündung folgenden Jahres seinen Betrieb aufnehmen. Falls das Gesetzgebungsverfahren nicht noch dieses Jahr abgeschlossen werden kann, dürfte mit dem Stiftungsregister also nicht vor Anfang 2025 zu rechnen sein. 

Die Erlangung der Rechtsfähigkeit der Stiftung bleibt an die Anerkennung durch die Stiftungsbehörde geknüpft; die Eintragung ins Stiftungsregister hat rein deklaratorische Wirkung. Dadurch soll der Nachweis der Vertretungsberechtigung von Stiftungsorganen er-leichtert und die Transparenz über Stiftungen erhöht werden. Dritte können der Stiftung im Rechtsverkehr etwa Eintragungen zur Vertretungsberechtigung ihrer Vorstandsmitglieder entgegenhalten; umgekehrt kann sich die Stiftung auf nicht eingetragene Tatsachen – wie etwa die fehlende Vertretungsberechtigung eines ihrer Vorstandsmitglieder – nur berufen, wenn sie dem Dritten bekannt ist. Die Anmeldepflicht ist mit einem Zwangsgeld in Höhe von bis zu 1.000 Euro bewehrt. 

Insbesondere folgende Angaben sind im Stiftungsregister einzutragen: 

  • Name und Satzungssitz der Stiftung;
  • Datum des Stiftungsgeschäfts sowie der Anerkennung oder Genehmigung oder des vergleichbaren Errichtungsakts. Aus der Entwurfsbegründung ergibt sich zu-dem, dass die jeweils aktuelle Satzung veröffentlicht werden soll;
  • Name, Geburtsdatum und Wohnort der mit Vertretungsmacht ausgestatteten Organmitgliedern;
  • Vertretungsbeschränkungen des Vorstands;
  • Die nach Eintragung der Stiftung erfolgten Satzungsänderungen im Wortlaut;
  • Beendigung der Stiftung.

Einsichtnahme ins Stiftungsregister soll nach dem Referentenentwurf jedermann nehmen können.  

Ins Stiftungsregister sollen sich vor Errichtung des Stiftungsregisters entstandene und noch bestehende Stiftungen innerhalb eines Jahres nach Registererrichtung zur Eintragung anmelden.  

Die Eintragung ins Stiftungsregister soll zugleich die Pflicht zur Mitteilung der wirtschaft-lich Berechtigten an das Transparenzregister erfüllen. 

H. Erb- und Schenkungsteuer

Neben der Auflösung und Aufhebung der Stiftung sollen auch Zu- und Zusammenlegung der Stiftung schenkungsteuerbar sein. Als Folge würden Zu- und Zusammenlegungen von gemeinnützigen Stiftungen weder der Schenkungsteuer noch der Grunderwerbsteuer unterliegen.  

I. Anwendung auf bestehende Stiftungen

Das neue Stiftungsrecht soll – mit einer Ausnahme zur Bestimmung des Anfallberechtigten – auf alle auch vor dem Inkrafttreten des Reformgesetzes errichteten Stiftung Anwendung finden.  

J. Fazit

Das Anliegen des Referentenentwurfs, das Stiftungszivilrecht abschließend bundeseinheitlich zu regeln, erhöht die Rechtssicherheit und ist daher zu begrüßen. Bestehende Stiftungen werden allerdings vor die Herausforderung gestellt, ihre Satzungsregelungen daraufhin zu überprüfen, ob und ggf. welche Änderungen sich für sie ergeben. Dies betrifft insbesondere die Bereiche der Organhaftung, der Abgrenzung von Vermögen und Erträgen und der Strukturänderungen. So sollten beispielsweise Stiftungen, die ihre Umschichtungsrücklage bislang ohne satzungsmäßige Verankerung bilden, eine Anpassung der Satzung erwägen.  

Erfreulich ist, dass der Gesetzgeber die Forderungen der Praxis nach einem Stiftungsregister aufgegriffen hat. Mit der beabsichtigten Veröffentlichung der Satzungen in Verbindung mit einem Einsichtnahmerecht für jedermann schießt der Entwurf – soweit Familienstiftungen betroffen sind – allerdings über das Ziel hinaus.  

Der nun vorgelegte Referentenentwurf stellt eine tragfähige und maßvolle Fortentwicklung des geltenden Stiftungsrechts dar. Angesichts der bereits erfolgten Beteiligung der Bundesländer sowie der Verbände ist damit zu rechnen, dass der Entwurf weitgehend unverändert umgesetzt wird.  

Weitere Informationen

Autoren: Dr. Maximilian Haag, Dr. Christoph Philipp, Dr. Andreas Richter, Dr. Stephan Viskorf, Dr. Anna Katharina Gollan, Dr. Martin Liebernickel, Dr. Katharina Hemmen
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